Marmor im Erzgebirge: Geologie, Gewinnung, Bergbaufolgelandschaften

14. Treffen des Arbeitskreises Bergbaufolgelandschaften am 16. und 17. Mai 2003 in Hammerunterwiesenthal
(Dipl.-Geoln. K. Kleeberg, Freiberg)

Am 16. Mai trafen sich um die Mittagszeit etwa 25 Marmor-Interessierte in Hammerunterwiesenthal am Fuße des Fichtelberges, des mit 1214 m höchsten Berges in Sachsen, um den Spuren der kristallinen Kalke zu folgen. Die Exkursion begann an einem für die geologische Wissenschaftsgeschichte wichtigen Punkt, dem Fiskalischen Steinbruch. An den Bruchwänden sichtbare Anschnitte flachliegender Falten von Marmoren und Amphiboliten wurden von KOSSMAT und PIETZSCH bis vor reichlich 40 Jahren noch (fälschlicherweise) mit Deckenvorstellungen verknüpft. Die Entwicklung des seit damals erreichten Forschungs- und Erkenntnisfortschrittes bei der faziellen und stratigraphischen Interpretation der kristallinen Serien des Erzgebirges stellte Herr H. Brause (Parchim) recht kurzweilig dar (Bild 1).

Bild 1: Herr Brause am 1. Exkursionspunkt

Bild 1: Herr Brause am 1. Exkursionspunkt

Einen kurzen Abriss über den historischen und aktuellen Marmor-Bergbau im Exkursionsgebiet gab Herr W. Schilka (Fa. GEOMIN GmbH Lengefeld/Erzgebirge).
Auf einer kurzen Wanderung am Bruchrand entlang konnten sowohl die unterschiedlichen Faltenbildungen und Störungen als auch zahlreiche Zeugen des historischen Kalkbergbaus besichtigt werden (Bild 2). Im Steinbruch selbst erläuterte Herr B. Leiss (Universität Göttingen) aktuelle petrologisch-tektonische Forschungsergebnisse, die anhand von Proben aus dem Bruch im Rahmen der geologischen Landesaufnahme durch das Sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie gewonnen wurden (Bild 3).

 Bild 2: Ostwand des Fiskalischen Steinbruches in Hammerunterwiesenthal

Bild 2: Ostwand des Fiskalischen Steinbruches in Hammerunterwiesenthal

Bild 3: Präsentation von Untersuchungsergebnissen durch Herrn Leiss im Fiskalischen Steinbruch

Bild 3: Präsentation von Untersuchungsergebnissen durch Herrn Leiss im Fiskalischen Steinbruch

Bevor verschiedene Sanierungsarbeiten an abgeworfenen Marmorgruben in der Umgebung besichtigt werden konnten, brachte Herr P. Suhr (Freiberg) den Exkursionsteilnehmern das tertiäre Maar von Hammerunterwiesenthal näher.

Die übertägige Verfüllung des alten Kalkbruchs „Schlösselweglager“ mit Abraum des benachbarten Amphibolith-Steinbruches „Am Stümpel“ (Bild 4) und die Sanierung des Kalkwerkes Oberscheibe durch die Fa. GEOMIN GmbH wurden von Herrn W. Schilka vorgestellt. In Oberscheibe werden die Karsthohlräume mit einem Versatz aus Braunkohlenfilterasche (Kraftwerk Chemnitz), Papierasche und Wasser verschlossen. Der übertage gemischte Versatzstoff wird dazu mittels einer Rohrleitung in die Grube gepumpt.

Bild 4: Verfüllung des Kalkbruches "Schlösselweglager"

Bild 4: Verfüllung des Kalkbruches „Schlösselweglager“

Weiter ging es über Annaberg-Buchholz zum Kalkwerk Lengefeld, einem Ortsteil der Gemeinde Pockau-Lengefeld (www.lengefeld.de) an der B 101. Hier befindet sich einer der beiden aktiven untertägigen Gewinnungsbetriebe der Fa. GEOMIN GmbH. Zum Freitagnachmittag drehten sich die Förderräder über dem Schacht und ließen der Herzen der Bergbauenthusiasten höher schlagen (Bild 5 und 6). Schließlich gibt es in Sachsen nur noch drei Bergwerke, in denen untertägiger Abbau läuft und nur eines, nämlich Lengefeld, mit Schachtförderung! Die Herren W. Schilka und T. Heckler führten alle Exkursionsteilnehmer fachmännisch in den Prozess der Förderung und Aufbereitung des Dolomitmarmors ein (Bild 7).

Bild 5: Förderräder im Kalkwerk Lengefeld der Fa. GEOMIN GmbH Lengefeld

Bild 5: Förderräder im Kalkwerk Lengefeld der Fa. GEOMIN GmbH Lengefeld

Bild 6: Hunteumlauf im Förderschacht des Kalkwerks Lengefeld

Bild 6: Hunteumlauf im Förderschacht des Kalkwerks Lengefeld

Bild 7: Marmorsplitt

Bild 7: Marmorsplitt

Letzter Exkursionspunkt des Tages war das benachbarte Industriemuseum Kalkwerk Lengefeld, in dem uns die Museumsleiterin, Frau Sachse (Lengefeld) in einer etwa einstündigen Führung mit den bis 1990 betriebenen Industrieanlagen und dem dazugehörigen Kalkbruch bekannt machte. Nicht alle Fragen zu diesem interessanten Bergbauobjekt konnten in der kurzen Zeit beantwortet werden und manch einer wird sicher wiederkommen, vielleicht zur Orchideenblüte auf der Bruchsohle (Bild 8) oder um sich noch ausführlicher über die Einlagerung von Sammlungsbeständen der Dresdener Kunstsammlungen, u. a. des Tizian-Gemäldes „Der Zinsgroschen“, im Jahre 1945 zu informieren.

 Bild 8: Sohle des alten Bruches im Museum Kalkwerk

Bild 8: Sohle des alten Bruches im Museum Kalkwerk

Übernachtungsort war die um 1200 gegründete Stadt Frauenstein im Osterzgebirge. Bevor der erlebnisreiche Tag jedoch mit einem guten Essen im Hotel „Goldener Stern“ beschlossen wurde, wartete noch ein kultureller Höhepunkt auf die Tagungsteilnehmer. Im Rahmen der Veranstaltungen zur Silbermann-Ehrung 2003 fand im Museum der Stadt Frauenstein ein literarisch-musikalischer Geburtstagsabend für Andreas Silbermann, den Bruder des bekanntesten sächsischen Orgelbauers Gottfried Silbermann, statt. Der Tag klang mit herrlicher Orgelmusik an der kleinen Silbermann-Orgel des Museums, geistreichen Dichterworten und einem postkartenschönen Sonnenuntergang hinter den erzgebirgischen Höhen aus.
Der Vormittag des 17. Mai war der Vortragsveranstaltung vorbehalten. 35 interessierte Zuhörer bekamen ein breites Themenspektrum von der Erkundung über die Gewinnung und Verwendung kristalliner Kalke, über deren Bedeutung für stratigrafische Einstufungen und tektonische Interpretationen (Bild 9) bis zu Fragen der Sanierung und Folgenutzung von Altbergbaustandorten, beispielsweise als Geotope, geboten.

Bild 9: Herr Hoth (Freiberg) berichtet über die geologischen Kartierungs- und Erkundungsarbeiten auf kristalline Kalke im Erzgebirge in der 2. Hälfte des 20. Jh.

Bild 9: Herr Hoth (Freiberg) berichtet über die geologischen Kartierungs- und Erkundungsarbeiten auf kristalline Kalke im Erzgebirge in der 2. Hälfte des 20. Jh.

Einer der Höhepunkte der Tagung war zweifellos die Untertage-Befahrung des Kalkwerkes Hermsdorf. Auf vielfältigen Wunsch der Teilnehmer wurden sowohl verschiedene, in Abbau stehende Marmorhorizonte als auch Erzeinlagerungen besichtigt (Bild 10). Anschließend wurde anhand von risslichen Unterlagen das Gesehene vielfältig diskutiert (Bild 11).

 Bild 10: Kalkwerk Hermsdorf - Impression von Untertage (Foto: Schulze)

Bild 10: Kalkwerk Hermsdorf – Impression von Untertage (Foto: Schulze)

Bild 11: Kalkwerk Hermsdorf - Einführung in die Geologie durch Herrn Schilka (Foto: Schulze)

Bild 11: Kalkwerk Hermsdorf – Einführung in die Geologie durch Herrn Schilka (Foto: Schulze)

Das inhaltlich und zeitlich anspruchsvolle Programm konnte an beiden Tagen ohne Abstriche realisiert werden. Die Vielseitigkeit der Exkursionen und Vorträge, das Engagement der Mitarbeiter der Firma GEOMIN GmbH und vor allem das enorme Interesse, die Disziplin und die gute Laune der Teilnehmer sowie nicht zuletzt das phantastische Wetter haben das 14. Treffen des Arbeitskreises Bergbaufolgelandschaften am 16. und 17. Mai zu einem vollen Erfolg werden lassen.

Informationen zur Bestellung des Tagungsbandes/Exkursionsführers sind auf der Seite der Veröffentlichungen zu finden.